Kathrins Genesungsweg Teil 9: Finale

Noch ist das Jahr nicht zu Ende, aber einen vorläufigen Rückblick gibt es bereits heute:

Mein Jahr 2013

2013 ist für mich mit folgenden Adjektiven zu beschreiben:

–        gesund

–        optimistisch

–        lebensfroh

–        ernüchternd

–        neu

Gesund war und ist es, weil es das erste vollständige gesunde Jahr seit meiner Jugend war – 2012 begann die Heilung und nun hatte ich ein komplettes Jahr ohne Essstörungen, im Mai werden es dann 24 Monate sein.  Vor ca. einem Jahr fragte mich Simone, ob ich nicht für Lebenshungrig schreiben möchte. Ja, wollte ich und möchte ich auch weiterhin! :)  Das war im Dezember und ich war gerade über Weihnachten zu Hause bei meinen Eltern. Ich fühlte mich zwar völlig genesen und gesund, dennoch war ich immer noch sehr überrascht als ich nach drei Wochen zurück war und verblüfft feststellte, dass ich nicht zugenommen hatte. Das ist das erste was mir bei 2013 einfällt, Verblüfftheit über meine Gesundheit, trotz Krisen, Trauer, Neugestaltung und folgenschweren Entscheidungen. Ich kann essen, wir alle können es.

Optimistisch war es, weil ich vielen Gelegenheiten Chancen eingeräumt habe und erwartungsfreudig an Dinge heranging, die sich teilweise auch als Fehlschläge entpuppt haben. Kein Nachteil ohne Vorteil: Bei allem voreiligen Optimismus habe ich etwas gelernt, über mich, mein Umfeld, das Leben und vor allem habe ich meine Stärke kennengelernt. Die Bestand 2013 am ehesten darin Enttäuschungen anzunehmen. Das Paradoxe: Durch die Tatsache, dass ich dem Schmerz ins Auge sehen konnte, dass ich Enttäuschungen als das für mich verbuchen konnte, was sie waren, wurden sie gleich weniger tragisch und dem Drama der Nährboden entzogen. Ich kann mit allem umgehen, wenn ich das Gefühl, die Situation und alles damit zusammenhängende anerkenne, nicht beschönige sondern für mich annehme unter einer Überschrift – auch enttäuschten Optimismus. Und das wiederum macht mich fröhlich, denn es war nötig, einige kleine und größere Schritte zu laufen – hin zu dem, was ich wirklich will.

Lebensfroh war 2013, weil ich gespürt habe, wie gerne ich lebe und wie schön ein Leben, ein kompletter Jahreszyklus ohne Essstörungen ist. Kein Stress wenn es wärmer wird, wenn Familienfeiern nahen, wenn man zu tun hat. Dadurch lösen sich Termine, Deadlines und Anstrengungen zwar nicht auf, aber sie werden zu dem was sie sind: normal zum Leben dazu gehörig. Keine Auftakte zu Fressorgien, zum Abtrainieren – sondern ein völlig normaler Ausgleich zu den vielen schönen Dingen, die es gibt und über die ich mich jeden Tag freuen kann.

Ernüchternd wurde 2013, weil ich meine Augen nicht mehr vor der Realität verschließen konnte, weil ich nicht mehr in der Lage war, mich abzulenken und zu belügen. Dadurch sah ich vieles im grellen Licht, was nicht immer angenehm war. Ich lernte die ehrliche Seite meiner Lieben kennen und weiß woran ich bin, was mir auf lange Sicht sehr viel angenehmer ist, als meine geschönte und farbige Sicht der Dinge, auch wenn dem nie so war.

Neu war das Jahr 2013, weil ich so unglaublich viel ausprobiert habe, mich selbst in verschiedensten Situationen und auch beruflichen Feldern testen konnte und gesehen habe, dass Byron Katie’s Theorie „It’s always me, it’s never the other person“ immer stimmt. Dadurch wuchsen mein Anspruch an mich selbst, aber auch ein innerer Friede und ein erhöhtes Verantwortungsgefühl, dass es mir niemand abnehmen kann, ehrlich und liebevoll für mich zu sorgen, dass ich es bin, die in vielem klarkommt, einige Dingen möglicherweise auch nicht klappen und dass ich Ventile schaffen muss damit umzugehen, bis ich die Umstände ändern kann. Das hat mir viel Kraft abverlangt, war mir früher so nie bewusst und zeigte mir meine Grenzen auf, mit denen ich leben lernen will.

Veränderung war vermutlich das Stichwort schlechthin für 2013, eigentlich nicht anders zu erwarten, wenn man aus einer Essstörung heraustritt, weil man lernt Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, weil sich Prioritäten neu sortieren und weil etwas, das einmal gedacht wurde, nie mehr zurückgenommen werden kann. Der Gesundungsprozess ist ein Selbstläufer und der Grundstein für ein neues, aufregendes und lebensbejahendes Selbst, das nur darauf wartet endlich gelebt zu werden.

Danke für die lieben Zuschriften, die spannenden Kommentare und die interessanten Kontakte, die sich 2013 hier ergeben haben und euch allen ein wundervolles Jahr 2014!