Kathrins Genesungsweg Teil 13: Hans & Hänschen

 

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Oder: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Einige von euch wissen, dass ich mich beruflich in den vergangenen Jahren stark verändert habe. Die Veränderung und die Einsicht, in welcher Richtung ich von nun an unterwegs sein möchte, hat unterschiedliche Gründe. Ein Auslöser oder eine sehr große Bestärkung war, als ich mich (nach Ablegen der ES) mit den Overeater Anonymous – Gruppen auseinandergesetzt habe. Dass es Gruppen gibt, bei denen ein starker Fokus auf Essplänen und Abnehmen gerichtet ist, fand und finde ich nach wie vor befremdlich und führt zumindest meiner Erfahrung nach am Ziel eines suchtfreien und gesunden Lebens vorbei. Was mich aber immens schockiert hat, war, dass der Leiter einer Gruppe mich für ausgesprochen einzigartig hält, aus den Hintergründen der oben angeführten Zitate.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Ja, es ist wahr – wir lernen und erben von unseren Eltern, vor allem das immaterielle Erbe begleitet uns sehr lange. Und wir sind und bleiben immer die Kinder unserer Eltern. Aber auch wenn wir unsere Geschichte mitnehmen, heißt das nicht, dass wir nicht einen neuen Zugang zu unseren Wurzeln finden können. Wir können uns und unsere erwachsene Situation immer beeinflussen, solange wir ehrlich und zu Auseinandersetzung bereit sind. Nur weil das Umfeld eines Menschen gestört oder verstörend war, bedeutet es nicht, dass wir halt auf ewig einfach diese Störung gewohnt sind und nunmal genau so werden müssen, wie es unsere Familie seit Generationen vormacht. Sonst und gerade dann würde die Essstörung einem nicht diese Anomalität anzeigen, als Indikator, dass etwas nicht mit unserem Leben stimmt.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Es gibt Menschen, für die der Grundsatz gilt, wer einmal in einer Suchtspirale gelandet ist, kommt nie wieder heraus. Den Gegenbeweis treten Simone, ich und noch viele weitere hier erfolgreich an. Trotzdem hat mich der Satz „Du, Kathrin, bist in jeder Hinsicht eine Ausnahme – wir alle bleiben immer essgestört, unser Leben lang“ etwas verstört. Mir ist sehr bewusst, dass ich ein Leben lang achtsam bleiben und auf mich hören muss, was andere (gesunde und selbstbewusste Menschen) vielleicht viel früher und intuitiv oder durch gesunde Vorbilder gelernt haben. Ich habe es mir durch meine vielen Schritte in ein gesundes Leben erst suchen, erarbeiten und richtig erlernen müssen, was es heißt einen liebevollen Umgang mit sich zu pflegen. Und gerade das bestärkt mich, dass jeder es schaffen kann aus der Spirale aus Selbsthass, Vorwürfen und Anfällen herauszutreten. Nicht schnell, aber dafür nachhaltig. Denn nur wenn ich weiß, wo genau der Knackpunkt, der Drehpunkt meiner Krankheit liegt, kann ich lernen mich anders zu verhalten und wieder zu fühlen, zu mir zu finden und mich den Gründen und Auslösern stellen. Es gibt essgestörte Frauen, denen das Reden und Analysieren nicht nachhaltig hilft, die andere unterstützende Methoden brauchen, um aus der Sucht auszusteigen. Auch das hat seinen Sinn und Gründe, dennoch glaube ich, dass es so etwas wie Therapieresistenz nicht wirklich gibt. Therapiemüdigkeit, Hoffnungslosigkeit, dass es vermutlich eh alles keinen Sinn hat waren mir schmerzlich bekannt. Aber ich wusste, dass ich als Hans vieles anders machen kann, als es das Hänschen in mir früher wusste und kannte. Ich habe mit dem Leiter viel diskutiert, aber kam gegen die Mauer aus Trotz und Verharren in der Störung nicht an. Gelernt habe ich dennoch sehr viel über meine Einstellung zum Thema Heilung. Und das Gefühl von Glück überkam mich, dass ich damals auf Simone und diese Seite gestoßen bin und den Mann erst Jahre später und als gesunde Frau kennengelernt habe. Viel treffender finde ich in diesem und fast jedem Zusammenhang mittlerweile übrigens das Sprichwort/Zitat: Wer will findet Wege, wer nicht will, Gründe. 

Wie siehst du das mit „Hans“ und „Hänschen?“