Die dreiundsechzigste Geschichte (d)einer Essstörung

Eine weitere mutige Frau, die ihre Geschichte mit uns teilt:

Ich bin 23 Jahre alt und leide seit ich 15 Jahre alt bin an Magersucht.

Wenn man mich heute sieht, würde man das niemals denken. Mein Gewicht ist mittlerweile laut BMI im leichten Übergewicht angekommen und ich schäme mich sehr dafür. Von außen würde jeder sagen, „es ist doch alles wieder okay, sie isst.“ Sie hat vielleicht sogar etwas zu viel auf den Rippen und der letzte Aufenthalt in der Klinik ist auch schon ungefähr zwei Jahre her.

Nur die Personen, die mich und meine Geschichte besser kennen – mein auf und ab zwischen gesund und krank, zwischen zu dick und zu dünn, zwischen einigeln und einfach leben – diese Personen wissen, dass leider noch gar nichts gut ist. Auch nicht nach neun Jahren Essstörung. Das Essen bestimmt immer noch mein Leben.

Essen ist mein goldener Käfig und mein Sicherheitsanker zugleich, es ist Fluch und Segen.

Ich kenne nur die Extreme, entweder zu dick oder zu dünn. Entweder leben oder arbeiten, nichts dazwischen geht. Es gibt kein grau.

Was also als Jugendliche mit einer Diät anfing weil ich zu dick war, ging viel zu schnell und zunächst unbemerkt in viel zu dünn und magersüchtig über. Es folgte ein jahrelanger Kampf, den wohl kaum einer versteht, der nicht selbst mal Probleme mit dem Essen hatte.

„Iss doch einfach. Essen ist doch so was Schönes. Ich esse nur wen ich Hunger habe, das ist doch ganz normal.“ Diese Sätze habe ich schon so oft gehört. Von außen scheint alles so einfach aber wenn man selbst einmal in diesem Strudel gefangen ist, ist eben nicht so einfach. Es ist eben nicht normal.

Ein Stück weit ist es normal und auch gut, dass andere einen nicht verstehen. Denn es sind kranke Gedanken und die Wünsche ich keinem. Also kann man solche Sätze in gewisser Weise auch niemandem übel nehmen. Aber sie verletzten. Sie verletzen mich und ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass es auch Menschen gibt, die mich verstehen und die mich in jeder Hinsicht unterstützen. Die wissen, dass nicht alles gut ist und die Verständnis haben, mich aber gleichzeitig in die richtige Richtung schubsen.

Ich würde alles dafür geben, die Zeit zurück zu drehen und nicht diese bescheuerte Diät gemacht zu haben, die mir einen Großteil meiner Jugend genommen hat und mir heute noch das Leben schwer macht.

Manchmal denke ich, ich kann nicht mehr. Ich bin müde. Ich will einfach nur dass es aufhört. Diese ständigen Gedanken.

Immer geht es nur ums Essen, ums schlechte Gewissen, um gesund oder ungesund. Das ist so anstrengend. Aber dann denke ich wieder daran (zugegebenermaßen mit Hilfe meiner Therapeutin), was ich schon alles geschafft habe. Ich bin nicht mehr im tiefsten Loch auch wenn ich noch nicht am Ziel angekommen bin.

Aber wenn ich vergleiche, wie schlecht es mir schon ging und wie es mir heute geht, weiß ich wieder, dass es sich zu kämpfen lohnt auch wenn es gefühlt unendlich lange dauert.

Wo findest du dich in dieser Geschichte wieder und was nimmst du daraus mit?

Das Aufschreiben und Veröffentlichen deiner eigenen Geschichte hilft dir und anderen!

Schicke mir die Geschichte deiner Essstörung an info@lebenshungrig.de, ich veröffentliche sie anonym.

lebenshungrige Grüße

Simone