Das Wichtigste und zugleich auch Schwierigste zuerst: Sie können als Angehörige zunächst einmal für die Betroffenen gar nichts tun und das müssen Sie begreifen.

Zwar können Sie Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen, aber die Motivation und die Aktivität müssen von den Betroffenen selbst kommen. Denn zu massives Einwirken auf die Erkrankte kann dazu führen, dass diese sich in die Enge getrieben fühlt, dem Druck nicht standhalten kann und sich als Konsequenz noch mehr in die Essstörung flüchtet. Leider ist es nahezu unmöglich, jenen Betroffenen behilflich zu sein, die ihre Krankheit noch nicht als solche erkannt haben.

Die Situation der Angehörigen ist daher nicht einfach.

Sie fühlen sich oftmals hilflos und alleine gelassen und viele quälen sich mit massiven Versagensängsten und Schuldgefühlen. Daher sollten auch sie sich helfen lassen bzw. selbst helfen. Sie können sich z. B. in eigener Sache an Beratungsstellen und/oder Selbsthilfegruppen für Angehörige wenden. Sie sollten versuchen, ihr Leben nicht um die Krankheit herum zu bauen, sondern sich weiterhin mit Freunden treffen, ihrem Hobby nachgehen etc. Indem Angehörige sich selbst helfen und dadurch lernen, die erkrankte Person loszulassen, helfen sie auch ihr. Angehörige müssen lernen, Grenzen zu setzen und sich selbst zu finden. Denn das gibt den Erkrankten die Möglichkeit, dies auch zu tun.

Leider neigen Angehörige dazu, ihr eigenes Leben aufzugeben, sich co-abhängig zu verhalten und die Betroffene mit ihrer „Überfürsorglichkeit“ in eine passive Rolle zu drängen.

Die Erkrankte bekommt dann jegliche Mühe abgenommen und hat keinerlei Raum für ihre eigene Entwicklung. Essgestörten Menschen fehlt keine „starke Hand“ und Aussagen wie „Ich will doch nur dein Bestes“ oder „Ich meine es doch nur gut“ schaden mehr, als sie nützen. Essgestörten fehlt lediglich die Kompetenz in eigener Sache. Sie müssen selbständig herausfinden, wer sie sind und was sie wollen und dann müssen sie lernen, dafür Verantwortung zu übernehmen. Angehörige wiederum müssen lernen zu akzeptieren, dass nur die Betroffenen selbst wirklich wissen, was das Beste für sie ist und was ihnen gut tut.

Essgestörte möchten nicht bedauert oder geschont werden, sie möchten akzeptiert und geliebt werden.

Nur, was Essgestörte Menschen in Bezug auf Hilfsmöglichkeiten selbst in die Hand nehmen und erreichen, gibt ihnen ein Gefühl der Zufriedenheit und ist ein wichtiger Schritt hin zu einem gesunden Selbstwertgefühl und zu mehr Eigenverantwortlichkeit und raus aus der Krankheit.

Wenden sich Essgestörte von sich aus an ihre Angehörigen, so ist es wichtig, dass diese in Gesprächen nach Möglichkeit die „Ich-Form“ wählen, wenn sie Bedenken jeglicher Art äußern. Es ist wichtig, nicht nur über die Essstörung zu reden, sondern auch über andere Probleme, Wünsche und Ziele der Erkrankten. Weiterhin sollten die Angehörigen versuchen, geduldig und verständnisvoll zu sein, ohne dabei die eigenen Grenzen zu überschreiten. Sie sollten versuchen, sich weder autoritär noch nachlässig zu verhalten, ein partnerschaftlicher Umgang ist wichtig.

Ermutigen Sie als Angehörige zur Selbstverantwortung, lassen Sie los und setzen Sie die Erkrankte nicht unter Zeitdruck.

Denn Essgestörte sind geistig gesund und oftmals hochintelligent. Sie sind „nur“ auf Grund verschiedener Umstände krank geworden. Sie können auch wieder gesund werden, wenn sie es wollen!

Hilfe für Freunde und Angehörige gibt es vom Elternkreis essgestörter Töchter und Söhne.